Einzeltäter-Theorie bei Anschlag in Wien bestätigt

Bei dem Anschlag mit vier Todesopfern am Montagabend inWien hat der Täter nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden allein gehandelt. Das sagte Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz inWien.

Die Einzeltätertheorie habe sich bei der Durchsicht von mehr als 20'000 Videos von Augenzeugen und Überwachungskameras von dem Abend bestätigt. «Was gleichzeitig sichtbar wurde, ist, mit welcher Brutalität und Grausamkeit der Täter vorgegangen ist.»

Behörden hatten wichtige Hinweise vor dem Wiener Terroranschlag

Der beim Terrorangriff in Wien erschossene Attentäter war zuvor der slowakischen Polizei bei einem versuchten Munitionskauf aufgefallen. Das erklärte eine Polizeisprecherin am Mittwoch dem slowakischen TV-Nachrichtensender TA3.

Die Polizeidirektion in Bratislava schrieb auf Facebook: «Die slowakische Polizei erhielt im Sommer die Information, dass verdächtige Personen aus Österreich versuchten, in der Slowakei Munition zu kaufen. Es gelang ihnen aber nicht, den Kauf zu realisieren.» Die Information sei unverzüglich der Polizei in Österreich übermittelt worden. Weitere Angaben wolle man nicht machen, um die Ermittlungen in Österreich nicht zu gefährden.

Der österreichische Innenminister Karl Nehammer bestätigte das. «In den weiteren Schritten ist hier offensichtlich in der Kommunikation etwas schiefgegangen», sagte er. Er kündigte an, das von einer unabhängigen Untersuchungskommission klären zu lassen.

Terrornacht in Wien: Türkische Männer vollbringen Heldentat

Bei den Terrorangriffen in Wien sind zwei türkische Männer plötzlich mitten im Gefecht gelandet. Als Menschen angeschossen wurden, eilten sie einem verletzten Polizisten und einer Passantin zur Hilfe – und begegneten dem Terroristen.

Die beiden Männer namens Recep Tayyip Gültekin und Mikail Özen haben mitten im Gefecht einen verletzten Polizisten und eine Passantin gerettet, wie sie gegenüber der Nachrichtenagentur Anadolu erklärten. 

„Als wir die Schüsse mitbekommen haben, sind wir in Richtung Stadtmitte gelaufen und haben gesehen, wie eine Passantin angeschossen wurde“, erklärte Gültekin. Ohne zu zögern habe er die verletzte Frau in ein nahe gelegenes Restaurant gebracht. Nachdem ich das Restaurant verlassen hatte, begegnete ich einem der Angreifer. Er richtete seine Waffe auf mich. Ich warf mich zu Boden und versuchte, ihm zu entkommen. Bei der Waffe handelte es sich vermutlich um ein Gewehr.“

Daraufhin seien die beiden Männer sofort in eine Polizeistation gefahren, um die Situation zu melden. Später hätten sie an einem anderen Punkt der Innenstadt gesehen, wie ein Polizist infolge des Zusammenstoßes verletzt wurde.

Aufgrund des Schusswechsels zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften sei es für die Rettungskräfte nicht möglich gewesen, den verletzten Polizisten vom Tatort zu transportieren. Die beiden Männer haben nach eigenen Angaben den verletzten Beamten gepackt und ihn zum Rettungswagen getragen.

Hintergründe des Terrorakts von Wien beschäftigen die Behörden

Nach dem Terroranschlag mit mindestens vier Todesopfern in Wien gehen in Österreich am Mittwoch die Ermittlungen weiter. Zentral ist dabei etwa die Frage, ob der von der Polizei am Tatort erschossene IS-Sympathisant alleine handelte. «Es verdichten sich die Informationen ganz erheblich, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Dennoch haben wir im öffentlichen Raum enorme Sicherheitsmassnahmen ergriffen», sagte der Chef der höchsten Polizeibehörde, Franz Ruf, am Dienstagabend im Sender ORF.

Nachdem in der Nacht zum Dienstag fieberhaft nach weiteren Tätern gesucht worden war, gingen die österreichischen Behörden zuletzt von einem einzigen Attentäter aus. Sie wollten aber weitere Beteiligte nicht endgültig ausschliessen und zunächst das umfangreiche Bildmaterial weiter auswerten. 14 Menschen aus dem Umfeld des Täters waren in den Stunden nach dem Attentat vorläufig festgenommen und 18 Wohnungen durchsucht worden.

Verhaftete Schweizer haben den Attentäter getroffen

Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte am Dienstagabend an einem Podium des «St.Galler Tagblatt», dass es sich bei den beiden Männern um «Kollegen» des Attentäters von Wien handle. Sie sei im Verlaufe des Tages darüber informiert worden. «Die drei Männer haben sich auch physisch getroffen», so Keller-Sutter. Mehr könne sie dazu noch nicht sagen.

Weiter sagte die Justizministerin, dass sie nicht dramatisieren wolle, aber ein Anschlag wie am Montagabend in Wien könne es auch in der Schweiz «jederzeit» geben.  Das Parlament habe zwar neue gesetzliche Massnahmen gegen terroristische Aktionen beschlossen, doch in einem Rechtsstaat könne man nicht alles verhindern. Die internationale Zusammenarbeit sei deshalb zentral. 

Zwei Männer in Winterthur verhaftet – Verbindung noch unklar

Die Kantonspolizei Zürich hat im Zusammenhang mit dem Anschlag den Einsatzstab „Wien“ gebildet, um zu prüfen, ob Bezüge der Taten zum Kanton Zürich bestehen.

Polizeiliche Ermittlungen führten zur Identifizierung eines 18- und eines 24-jährigen Schweizers. Die beiden Männer konnten am Dienstagnachmittag in Abstimmung mit den österreichischen Behörden durch die Spezialeinheit EG Diamant in Winterthur verhaftet werden. Inwiefern es eine Verbindung zwischen den beiden Verhafteten und dem mutmasslichen Attentäter gab, ist zurzeit Gegenstand der laufenden Abklärungen und Ermittlungen, welche durch die zuständigen Behörden geführt werden.

Die Kantonspolizei Zürich steht diesbezüglich zusammen mit dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) mit der österreichischen Polizei in engem Informationsaustausch. Eine restlose Aufklärung einer möglichen Tatbeteiligung gilt als höchstes Ziel beider Sicherheitsbehörden.

Neben der Kantonspolizei Zürich waren die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, die Bundeskriminalpolizei, das Bundesamt für Polizei (Fedpol) sowie die Stadtpolizei Winterthur beteiligt. 

Attentäter von Wien: Frühzeitig aus der Haft entlassen

Am Tag nach dem Terrorangriff in Wien werden neue Informationen zum erschossenen Attentäter bekannt. Der 20-jährige Mann wollte in der Vergangenheit nach Syrien reisen, um sich dort der Terrormiliz IS anzuschliessen. Dafür verbüsste er eine Haftstrafe, aus der er frühzeitig entlassen wurde.

Nach Terror in Wien: ÖFB sagt alle Spiele ab

Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) hat nach den Terroranschlägen in Wien sämtliche Veranstaltungen und Spiele für die kommenden drei Tage abgesagt. Der Verband trug damit der Empfehlung der Regierung Rechnung, eine dreitägige Staatstrauer einzuhalten.

«Diesem Wunsch kommen wir als ÖFB selbstverständlich nach, dementsprechend werden auch die für Dienstag und Mittwoch angesetzten Begegnungen im ÖFB-Cup nicht stattfinden», sagte Verbandspräsident Leo Windtner am Dienstag.

«Beweisen wir, dass wir in Wien und ganz Österreich zusammenhalten», forderte Windtner: «Dass wir zu unseren Werten stehen und sie weiterhin gemeinsam leben und schützen werden. Zeigen wir, dass Hass kein Bestandteil unserer Werte, unserer Gesellschaft und des Fußballs ist - und nie sein wird.»

Mitteilung der Kantonspolizei Zürich

Kantonspolizei bildet Einsatzstab «Wien»

Die Kantonspolizei Zürich hat am Dienstagmorgen einen Einsatzstab «Wien» gebildet. Dieser prüft unter anderem, ob Bezüge der Taten von Wien zum Kanton Zürich bestehen. Die Gruppe aus Spezialisten der Kantonspolizei verfolgt das Geschehen kontinuierlich und steht in engem Austausch mit verschiedenen Partnern, auch in Bern und Wien.

Hintergründe zur Person des Attentäters

Attentäter von Wien erwartete sich von IS ein besseres Leben

Nach dem tödlichen Anschlag in Wien werden mehr und mehr Details über den Attentäter öffentlich: Den Behörden war er schon länger bekannt. Der Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln hatte mutmasslich am Montagabend in Wien nahe der Hauptsynagoge um sich geschossen und dabei mindestens vier Menschen getötet und mehr als ein Dutzend verletzt. Er wurde später von der Polizei erschossen.

Der ehemalige Anwalt Nikolaus Rast sagte am Dienstag, der junge Mann stamme aus einer völlig normalen Familie. «Für mich war das ein Jugendlicher, der das Pech gehabt hat, an die falschen Freunde zu geraten», so der Strafverteidiger gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Seit Jahren sympathisierte der 20-Jährige mit der Terrormiliz Islamischer Staat IS und war bereit, für sie in den Kampf zu ziehen. 

Im Vorjahr musste sich der Wiener dann wegen seiner IS-Mitgliedschaft vor Gericht verantworten. Nach Medienberichten hatte sich seine eigene Mutter an die Behörden gewandt. Er wurde damals zu 22 Monaten Haft verurteilt, nahm an einem Deradikalisierungsprogramm teil und wurde wegen günstiger Prognose vorzeitig entlassen. Er habe alle getäuscht, so Rast.

Im April 2019 gab der mutmassliche Terrorist vor dem Wiener Landgericht an, dass er sich in seinem Leben nie benachteiligt gefühlt hatte. Während der Pubertät begann er sich mit dem Islam zu beschäftigen, wie die Tageszeitung «Der Standard» berichtete, die den Gerichtsprozess damals verfolgte. Ende 2016 sei er nach eigenen Aussagen in die «falsche Moschee» geraten. Seine Leistungen in der Schule wurden immer schlechter, Streit mit der Mutter gab es immer öfter. «Ich wollte weg von zu Hause», erzählt der Mann vor Gericht. Vom IS habe er sich ein besseres Leben erwartet. «Eine eigene Wohnung, eigenes Einkommen.»

Eine Reise nach Kabul zum IS mit einem Freund scheiterte, weil die jungen Männer zu spät bemerkten, dass sie ein Visum für Afghanistan benötigten. Das Geld für das Flugticket erarbeitete er sich bei einem Sommerjob. Im September 2018 brach der mutmassliche Terrorist alleine in die Türkei auf. Von dort wollte er nach Syrien, um für den IS zu kämpfen. Über den Messengerdienst Telegram verbreitete er Propaganda der Terrormiliz, wie die Tageszeitung «Heute» berichtete.

Zwei Tage nach seiner Ankunft in der Türkei nahmen ihn türkische Polizisten in einem sogenannten Safehouse, das sein Anwalt als «Rattenloch» ohne Dusche, Toilette und fliessendes Wasser bezeichnete, fest. Er sass vier Monate dort in Haft, ehe er nach Österreich überstellt wurde. Ende vergangenen Jahres war er von den Behörden scheinbar als nicht mehr gefährlich eingestuft und so frühzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden.