Etwas früheres Sitzungsende

Geschätze Leserinnen und Leser

Damit hat der Grosse Rat all seine Traktanden abgetragen. Ratspräsidentin Elisabeth Burgener beendet die heutige Sitzung etwas vor der Zeit.

Wir danken Ihnen fürs Mitverfolgen der Debatten und Entscheide und würden uns freuen, Sie am Dienstag 28. Juni wiederum in unserem Ticker zur letzten Grossratssitzung vor den Sommerferien begrüssen zu dürfen.

Und jetzt: kommen Sie gut nach Hause und einen schönen Abend!

Ja zum Gemeindepräsident und zur -präsidentin mit Stichentscheid der Ratspräsidentin

Anders sieht dies Motionärin Karin Faes (FDP). Sie bittet, die Debatte nicht verbissen zu führen. Natürlich sei der Name Gemeindeammann sehr respektvoll.

Mit-Motionärin Carole Binder-Meury (SP) sagt ergänzend, sie werde als Gemeindeammann mit allem Möglichen angeschrieben. Der Begriff Gemeindeammann führe oft zu Verwirrungen.

Der Spreitenbacher Ammann musste den Zürcher Kollegen bei Sitzungen zur Limmattalbahn erklären, dass er nicht Betreibungsbeamter sei (in Zürich heisst dieser drum so). Der Begriff könne immer wieder zu Missverständnissen führen, als Herr Vizeammann fühle auch sie sich nicht wirklich angesprochen.

Nun spricht Frau Gemeindeammann von Möriken-Woildegg Jeanine Glarner (FDP). Sie fragt: "Was sind die wahren Probleme der Frauen im 21. Jahrhundert? Was genau ist eigentlich das Problem?" Für sie ist der heutige Begriff kein Problem. "Ich bin gerne Frau Gemeindeammann, weil ich schlicht kein Problem mit diesem Namen habe." Der Name Gemeindeammann habe eine historische Bedeutung.

Auch sie könne den Emanzipationswahn nicht verstehen, kritisiert die Frau Vizeammann von Neuenhof und Grossrätin, Petra Kuster (SVP): "Lassen Sie uns die Gemeindeautonomie."

16 Jahre lang sei sie Gemeindeammann gewesen, sagt nun Edith Saner (Mitte). Der Funktionsbegriff habe sie anfänglich nicht gestört. Die meisten sagten "Frau Gemeindeammann", Dann kam aber der Gmeindamme, die Frau Gmeindspräsidentin, Gemeinde-Amtsfrau und weitere dazu. Vor Auftritten sei sie oft gesfragt wordne, wie sie genannt werden wolle. Aus der bevölkerung sei dann die Frage aufgetaucht, warum man nicht auf Gemeindepräsiden oder -präsidentin wechsle: "Damit der aargau nicht noch mit zusätzlichen Funktzionsbezeichnungen geschmückt wird, bin ich für eine Abschaffung dieses alten Zopfs."

Es könne mit beiden Bezeichnungen leben, sagt nun Sander Mallien (GLP) (Gelächter im Saal). Er würde dann aber auch den Einwohnerrat angehen, den Landammann zur Diskussion zu stellen, schlägt er vor.

Andreas Fischer Bargetzi zitiert ein Sprichwort: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit." Der Ammann werde heute nicht mehr vom Landvogt gewählt, edie Bürgerinnen udn Bürger dürfen das. "Ich bin Archäologe, ich hänge sehr an altem zeugs." Doch andere Kantone haben es geändert, es sei an der Zeit, das auchb hier zu tun: "Auch ich bin es leid, in anderen Kantonen erklären zu müssen, was denn ein Herr oder eine Frau Gemeindeammann ist."

Man gängle nicht die Gemeinden, widerspricht Claudia Rohrer (SP) der SVP. Sie sei seit einem halben Jahr Stadträtin, sagt sie. Sie und der Stadtammann stünden im Dienst der Bürgerinnen und Bürger. Auch sie plädiert für eine Änderung.

Als (vorläufig?) letzte Votantin spricht nur Béa Biber (GLP). Man brauche zukunftsgerichtetes Handeln. dass man 2022 überhaupt noich über dieses Thema sprechen müssen, ist aus meiner Sicht aus der Zeit gefallen." Die jüngere Genration verstehe nicht mehr, warum es im Aargau für dieses Amt mehrere bezeichnungen gibt. Es gebe auch Gemeindeammänninnen, die sehr Müghe mit diesem begriff haben: "Machen wir Zukunft und sagen ja zu einer einheitlichen Regelung."

Als letzter spricht noch Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli. ja, der Begriff Gemeindeammann sei etwas ganz Spezielles, das gelte aber auch für die Gemeindepräsidentin. Begrifflichkeiten seien wichtig. In der Gemeindereform von 2010 sei der neue Begriff ja drin gewesen, dann aber wieder rausgekippt, erinnert er. Es spriche nichts dagegen, den historischen Begriff zu ersetzen: "Das heisst nicht, dass die historische Gegebenheit nicht respektiert wird."

Die Regierung sei bereit das Anliegen in der nächsten Totalrevision des Gemeindegesetzes aufzunehmen. Man habe da aber noch etwas Zeit. Bis es in Kraft tritt, dürfte es 2026 werden, so Egli.

Jetzt wird abgestimmt. Es wird unglaublich knapp. Das Resultat lautet 64 : 64 Stimmen. Endlich kann Ratspräsidentin Elisabeth Burgener einen Stichenstscheid fällen. Es sei ein historischer Moment sagt sie, und verhilft der Motion zur Mehrheit.

Damit kann die Regierung das Anliegen in die nächste Gesetzesrevision mit hineinnehmen. Wenn damit eine Verfassungsänderung einhergeht, wird es dann zumal ohnehin obligatorisch zu einer Volksabstimmung kommen.

SVP fragt: wird dann als nächstes auch der Landammann abgeschafft?

Bruno Rudolf (SVP) kritisiert einen "Emanzipationswahn" und sagt, Präsident oder Präsidentin der Schützengesellschaft, des Fussballclubs etc, könne jeder werden. Ein Herr oder eine Frau Gemeindeammann sei aber etwas besonders Ehrenhaftes. Er fragt, ob als nächstes dann auch der Landammann und der Landstatthalter abgeschafft wird?

Jeder Gemeinde sei es ja freigestellt, den passenden Begriff zu verwenden.

Motionärinnen: 50 Jahre seit dem Frauenstimmrecht: Wir wählen eine Funktion, kein Geschlecht

Im Jahr 2021 – 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts – sei es an der Zeit, so die Motionärinnen, "dass in den Bezeichnungen der höchsten politischen Ämter kein Geschlecht explizit genannt wird". Die Sprache solle sich den Begebenheiten anpassen.

Es sei an der Zeit, die Bezeichnung Gemeindeammann abzulösen. Der Ersatz zum Gemeindepräsidium dränge sich auf, die Bezeichnung sei in den umliegenden Kantonen bekannt und sie umfasse die sachliche Position, welche dann von einer Präsidentin oder einem Präsidenten ausgeübt wird.

Die Motionärinnen sagen: "Wir wählen eine Funktion und kein Geschlecht. Die sehr holprigen und unmöglichen Bezeichnungen Frau Vize-Ammann und Frau Ammann gehörten auch im Kanton Aargau in die Geschichtsbücher und nicht mehr in den politischen Alltag.

Soll auch der Aargau Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten bekommen?

Nun kommen wir zu einem der spannendsten Themen dieses Tages. Es geht dabei nicht etwa um viel Geld. In einer Motion verlangen Claudia Rohrer (SP),  Carole Binder-Meury (SP, Sprecherin), Barbara Portmann-Müller (GLP), Béa Bieber (GLP), Gertrud Häseli (Grüne), Edith Saner (Mitte), Maya Bally (Mitte), Therese Dietiker (EVP), Suzanne Marclay-Merz (FDP) und Karin Faes (FDP) die Einführung des Begriffs Gemeindepräsidium in der Kantonsverfassung . Bekanntlich heissen die Gemeindeoberhäupter im Aargau heute Herr oder Frau Gemeindeammann.

In den Nachbarkantonen des Aargaus gibt es den Begriff des  Gemeindeammanns nicht mehr. 

Die Gemeinden sind im Aargau in der Bezeichnung frei, leider sind sie jedoch nur fast frei, so die Motionärinnen. Die Gemeinden können in der Gemeindeordnung den Begriff der Gemeindepräsidentin oder des Gemeindepräsidenten wählen. Geht es jedoch um die Ausschreibung der effektiven Wahl, so müssen sie die Begrifflichkeit der Verfassung übernehmen, die Wahl des Gemeindeammanns.

Die Regierung ist mit einer Erklärung zur Entgegennahme des Vorstosses bereit.

Anwaltsmonopol wird in allen kantonalen Verwaltungsverfahren nicht abgeschafft

Damit kommen wir zu den Geschäften des Departement Volkswirtschaft und Inneres (DV) von Regierungsrat Dieter Egli.

Nach mehreren Interpellationen geht es um eine Motion von Harry Lütolf (Mitte, Wohlen) zwecks Beseitigung des Anwaltsmonopols in allen kantonalen Verwaltungsverfahren. Die Regierung lehnt den Vorstoss ab.

Lütolf hält am Vorstoss fest.

Barbara Borer-Mathys spricht jetzt für die SVP, sie ist selbst Rechtsanwältin, es gehe aber nicht um persönliche Interessen.  Die SVP sieht das geltende Recht grossmehrheitlich nicht als Schikane und lehnt den Vorstoss ab.

Ignatius Ounde (GLP) ist nicht Anwalt. Er verweist darauf, dass nicht jeder Jurist Anwalt werden kann: "Die Hälfte fällt durch." Die GLP teilt die Sicht der Regierung und lehnt den Vorstoss ebenfalls ab.

Für die FDP sagt Adrian Schoop, man sei einstimmig der Meinung, "das wir nicht das Anwaltsmonopol beseitigen sollten, sondern diese Motion".

Der Aargau habe eine gute Lösung,  sagt die Anwältin und SP-Co-Fraktionschefin Claudia Rohrer. Es gehe dabei aber nicht um die Sicherung von Pfründen. Die gut eingespielte kantonale Regelung solle beibehalten werden, plädiert sie.

Damit zeichnet sich klar ab, dass der Vorstoss chancenlos ist.

Als letzter spricht Justizdirektor Dieter Egli. Er sei nicht Anwalt, betont er. Das Wesentliche sei gesagt worden. Es gehe um ein Anwaltsmonopol, nicht um eine Anwaltspflicht, betont er. Zug und Zürich kennten dieses Anwaltsmonopol nicht, sagt er. In der Gesamtbetrachtung überwiegen für die Regierung die Gründe für eine Beibehaltung des Anwaltsmonopols. Zudem habe sich dieses sowohl aus Verfahrenssicht als auch aus gerichtspraktischer Sicht bewährt und werde entsprechend kaum kritisiert oder hinterfragt. Aus Sicht des Regierungsrats gebe es keinen Handlungsbedarf.

Jetzt stimmt der Rat ab. Er lehnt die Motion mit 110 : 19 Stimmen ab.

Erneuerbare statt fossile Heizung im öffentlichen Interesse?

FDP-Grossrätin Jeanine Glarner hält fest, von Hauseigentümern werde erwartet, dass sie ihre fossilen Wärmesysteme durch erneuerbare Energien ersetzen. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der Senkung des Energieverbrauchs, doch der Ersatz einer fossilen durch erneuerbare Heizung werde von der Abteilung für Baubewilligung als "rein privates Interesse" beurteilt. Deshalb muss ein Hauseigentümer den Nachweis erbringen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, zum Beispiel eine Wärmepumpe im Unterabstand zur Kantonsstrasse zu installieren, kritisierte Glarner

Die aktuelle Praxis der Abteilung für Baubewilligungen setze das geltende Recht um, antwortet der Regierungsrat. Dabei wird in Bezug auf Wärmepumpen eine liberale Haltung eingenommen, indem in der Regel erleichterte Ausnahmebewilligungen erteilt werden. Im Rahmen von ordentlichen Ausnahmebewilligungen werde das öffentliche Interesse an erneuerbaren Heizsystemen angemessen berücksichtigt. Handlungsbedarf besteht laut Regierung nicht, das Postulat könne abgeschrieben werden. Glarner ist einverstanden.

Grosser Rat nimmt Vorstoss zur Verpackungs-Entsorgung an

Der Grosse Rat nimmt das Postulat zur Verpackungs-Entsorgung deutlich an - mit 83 zu 44 Stimmen

EVP-Seibert: keine neue Regelung, sondern weniger Verpackung

Uriel Seibert (EVP) sagt, es gehe nicht um neue Regelungen, sondern um die Vermeidung von Umverpackungen - mit seinem Postulat gebe es die Möglichkeit, die Verpackungsfrage detailliert anzuschauen. Er wirbt für eine Überweisung des Vorstosses - dieser dürfte im Grossen Rat auch durchkommen.

FDP will eine Auslegeordnung zur Verpackungs-Entsorgung

Gabriel Lüthy (FDP) sagt, seine Fraktion sei für die Überweisung des Postulats, so könne eine Auslegeordnung zur Entsorgung der Verpackungen gemacht werden. Es brauche aber eine schweizweite Regelung und auch der Online-Handel müsse berücksichtigt werden. Die FDP wolle kein neues Gesetz, sie sei eher an der Analyse interessiert, sagt Lüthy.